Umfragen

Comeback der guten Nachbarn

Die Deutschen werden älter – und einsamer. Als Ersatz für die fehlende Familienbande rückt die Nachbarschaft immer stärker in den Fokus.

 Altonale Thomas PanzauIn Großstädten wie Hamburg ist bereits jeder zweite Haushalt ein Singlehaushalt (51,2 Prozent). Bundesweit sind es laut Zensus fast 40 Prozent. Nur wenige entsprechen dem Idealtyp des jungen Menschen, der aus freien Stücken allein lebt: Lediglich etwa jeder sechste Alleinlebende ist jünger als 30 Jahre, mehr als ein Drittel ist dagegen im Rentenalter (64 Jahre) Die Ergebnisse von Umfragen sind erschreckend: Statt Freude über das Altwerden grassiert die Angst vor Vereinsamung in anonymen Strukturen. "Wenn Familien schrumpfen, die globalisierte Arbeitswelt die Reste verstreut und die Sozialleistungen schwinden, ist der Nachbar oft der Einzige, der noch vor Ort ist“, bestätigt Erdtrud Mühlens, Initiatorin des Netzwerk Nachbarschaft. In Deutschlands größtem Aktionsbündnis von Nachbarn für Nachbarn sind derzeit 1800 Nachbarschaften mit einer Fülle unterschiedlicher gemeinschaftlicher Projekte organisiert.

Wohnpartnerschaften

So werden in Köln mit dem Projekt „Wohnen für Hilfe“ Wohnpartnerschaften zwischen Senioren und Studenten organisiert. Beim Projekt „Mehr Bewegung im Alltag – Willst du mit mir gehen?“ aus Essen laden 120 Nachbarn ihre älteren Mitbewohner zum wöchentlichen Spaziergang ein. In der Gemeinde Wesseling im Rhein-Erft-Kreis bieten 55 Engagierte älteren Nachbarn unter dem Namen "Helfende Hände Wesseling" Alltagshilfe aller Art an. Im Duisburger "Nachbartreff Bienenschwarm" treffen sich acht Seniorinnen einmal im Monat zum gemeinsamen Kochen.

Zukunftsforscher Prof. Horst W. Opaschowski, hält das Comeback der guten Nachbarn für einen der wichtigsten Wohntrends der Gegenwart. Das bestätigt eine neue Studie, die das Meinungsforschungsinstitut Emnid für das Netzwerk Nachbarschaft im April 2016 erstellt hat. Befragt wurden 1002 Bundesbürger über 14 Jahre.  Danach schließen es immerhin 44 Prozent der Nachbarn aus, dass in ihrem Wohnumfeld Menschen unbeachtet erkranken, vereinsamen oder sogar sterben könnten – der Alptraum eines jeden Single.

Gegenseitige Hilfe im Alltag

90 Prozent der Bürger fühlen sich in ihrer Nachbarschaft gut aufgehoben, achtzig Prozent bestätigen, dass man sich gegenseitig hilft, knapp 40 Prozent unternehmen regelmäßig etwas mit ihren Nachbarn. Nur vier Prozent geben an, dass sie sich für ihre Nachbarn nicht interessieren. Das fand die AOK Rheinland/Hamburg, Kooperationspartner vom Netzwerk Nachbarschaft heraus. Die repräsentative Studie ist Teil der Aktion „Gesunde Nachbarschaften“, die die Krankenkasse gemeinsam mit dem Netzwerk Nachbarschaft vor einem Jahr ins Leben gerufen hat. „40 Nachbarschaften zeigen auf beeindruckende Weise, was in guter Nachbarschaft möglich ist“, sagt Erdtrud Mühlens.