Ökologie

Experteninterview mit Ulrike Aufderheide, Biologin und Naturgartenplanerin

SchlossEisenbach Artikel 2

Was können Nachbarschaften konkret in städtischen Wohnquartieren für die Artenvielfalt tun?

Nachbarschaften können möglichst vielfältige naturnahe Flächen anlegen. Naturnahe Gärten sind keine ungepflegten Wildnisgärten oder schnelllebige Modeerscheinungen, sondern gestaltete Gärten mit langlebigen Pflanzengesellschaften und umweltfreundlichen Baumaterialien. Die Liebe zur Natur, ein paar Wildpflanzen- und Gartentipps, geeignete Bezugsquellen und Gartenbeispiele, Offenheit für Neues und die Freude am Gärtnern reichen aus, um naturnahe Gartenräume anzulegen und zu pflegen. Wichtig ist es, sich erst zu informieren und dann zu handeln. Vielfältige Informationsangebote finden sich auf www.naturgarten.org

Welche Pflanzen eignen sich für städtische Strukturen? Was ist dabei zu berücksichtigen?

Alle lieferbaren einheimischen Wildpflanzen, soweit sie standortgerecht eingesetzt werden. Möglichst viele Wildpflanzen, Kulturpflanzen und Saatgut stammen aus kontrolliert biologischem Anbau. Wir empfehlen zertifiziertes Saatgut, Wildstauden und Wildgehölze.

Welches sind die Top Drei der attraktivsten Pflanzen für Insekten?

Die gibt es nicht, nur eine Vielfalt an Pflanzen fördert eine Vielfalt an Insekten und anderen Tieren. Wir folgen dem Leitspruch: „Jedem Tierchen sein Pläsierchen“: Jedem Tierchen sein Pflänzchen/seine Pflänzchen.

Welches sind die größten Flops in der Begrünung? Von welchen Pflanzen gilt es sich zu lösen?

Kirschlorbeer, Thuja und Forsythie bieten keine Nahrung für hier lebende Tiere. Schädlich für heimische Flora und Fauna sind invasive Neophyten, das sind importierte Pflanzen, teilweise können sie für den Menschen gefährlich sein.

Was glauben Sie, kann Menschen umstimmen, in ihren Privatgärten keine klinische Sauberkeit mehr haben zu wollen und die Natur einzuladen?

Durch das offensichtliche Insektensterben und das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ findet gerade ein Bewusstseinswandel statt. Menschen mit Steingärten kommen auf mich zu und fragen, was sie für die Artenvielfalt tun können. Es geht nicht darum, den Garten sich selbst zu überlassen. Verwahrloste Gärten sind oft gar nicht so artenreich. Etwas weniger Aufräumen im Garten hilft dagegen schon Insekten und Kleinstlebewesen beim Überleben. Trockene Stängel sind Überwinterungsquartiere für Schmetterlingslarven und Marienkäfer. Im Laub leben viele Arten und schützen sich vor der Kälte. Rasenschnitt und Laub unter Hecken halten die Erde darunter feucht und die Zersetzung ist der beste organische Dünger.

Welche Bepflanzung empfehlen Sie für den Naturgarten?

Dem Standort angemessen empfiehlt sich eine Bepflanzung mit einheimischen Wildarten: Kornelkirsche, Weißdorn, Felsenbirne und Wildrosen sind eine Augenweide und bieten hervorragenden Nektar für die Brummer und Grünfutter für Schmetterlingsraupen und andere Blattfresser. Wildblumen sind wunderschön, meist mehrjährig und profitieren oft von mageren Böden (Kiessand oder Schotter).

Warum werden Knicks oder Wallhecken alljährlich gesägt und geschreddert?

Das alljährliche Sägen und Schreddern ist sehr schädlich und zerstört nachhaltig wichtigen Lebensraum. Es passiert zum einen aus Unwissenheit und Profitdenken. Zum anderen werden zu starke Maschinen eingesetzt. Es wäre besser, wenn alle zehn bis 15 Jahre Knicks „auf den Stock gesetzt“ werden würden, denn dichtes Gestrüpp ist für viele Tiere lebensnotwendig und auch den Pflanzen bekommt diese Verweilphase sehr gut.

Helfen Säume und Wiesen den Arten sich schneller zu regenerieren?

Saum ist vor allem dann besonders wertvoll, wenn er an etwas grenzt, z.B. an ein Gehölz. Eine Landschaft ist dann besonders artenreich, wenn sie vielfältig in ihren Strukturen ist mit Bäumen, Sträuchern, Naturhecken, Säumen, Wiesen, Gräsern, Rasen, Wasser und Stauden. Das fördert die Biodiversität. Artenreiche Lebensräume sind ästhetisch für uns sehr ansprechend – Menschen lieben diese Landschaften und suchen sie in der Freizeit bewusst zur Entspannung auf..