Mehrgenerationen

Wenn Wohnprojekte ins Alter kommen...

... ist oft Altbewährtes neu zu prüfen. Nach 20 Jahren stellt das Hamburger Wohnprojekt „Jung und Alt“ die Weichen neu.

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1994 gründete sich in Hamburg die „Wohnungsbaugenossenschaft JUNGundALT“. Erklärtes Ziel war es, Menschen zusammenzubringen, die selbstbestimmt in einer Gemeinschaft leben wollten. Zwei Jahre wurde auf einem städtischen Grundstück gebaut, bevor die Genossen die drei Häuser beziehen konnten. Gemeinschaft wird seitdem großgeschrieben: Miteinander bauten die Nachbarn ein Fahrradhaus, einen Spielplatz und einen Pavillon für Zusammenkünfte aller Art. Die Nachbarn sehen sich regelmäßig bei Feiern, Organisationstreffen oder bei der Gartenarbeit. Heute wohnen hier 60 Menschen aus allen Altersgruppen. „Von Anfang an war uns klar, dass wir uns ein Zusammenleben mehrerer Generationen wünschen“, sagt die Bewohnerin Kathrin Finkbeiner. „Zuerst waren es aber die jungen Familien, die unseren Lebensalltag bestimmt haben.“

Im Gespräch mit allen Altersstufen

Nach fast 20 gemeinsamen Jahren wollen die Nachbarn nun mehr auf die Bedürfnisse der steigenden Zahl von Senioren eingehen und das Thema „Älterwerden im Wohnprojekt“ auf die Tagesordnung setzen. Was geschieht mit Pflegefällen oder bei Demenz? Können junge Familien die Wohnungen mit Älteren tauschen, deren Kinder schon aus dem Haus sind? Es gibt viele sensible Fragen, denen sich die Bewohner stellen wollen. Kurzerhand gründeten sie daher eine Gesprächsgruppe für alle Generationen. „Wir haben mehrfach festgestellt, dass zum Beispiel bei Grillabenden durch das gemeinsame Essen ein besonders vertrautes Miteinander entstand“, erzählt Finkbeiner. „Bei unseren monatlichen Treffen gibt es nun immer erst etwas zu essen – dann wird diskutiert!“

Gemeinschaft neu gestalten

Viele Wohnprojekte in Deutschland kommen in die Jahre. Die ersten „Kommunarden“ sind nun alle im Rentenalter. „Als die ersten Wohnprojekte gegründet wurden, stand die Generationengerechtigkeit nicht im Vordergrund. Die meisten Bewohner machten sich kaum Gedanken darüber, wie sie im Alter wohnen wollen und können“, weiß Jana Wallrath. Die Psychologin hat Wohnprojekte in Hamburg besucht und ältere Bewohnerinnen und Bewohner nach ihren Plänen fürs Alter befragt. Ihre Beobachtung: Jüngere aber auch Ältere blenden das Thema Älterwerden immer noch gerne aus. „Wichtig ist aber, das Älterwerden früh zu thematisieren. So können beispielsweise Treffpunkte im Wohnprojekt, wie Gartenanlagen und Gemeinschaftsräume, den intergenerativen Austausch deutlich fördern. Auch Wohnungstausch und Barrierefreiheit sind wichtige Themen, die noch unterschätzt werden.“ Bei einem Diskussionsabend des Hamburger Wohnprojekts Brachvogel sorgte Wallrath mit ihren Thesen für lebhaften Austausch. Die „Brachvogler“ nehmen auch am Pilotprojekt „Gesunde Nachbarschaften“ teil, das Netzwerk Nachbarschaft derzeit gemeinsam mit der AOK Rheinland/Hamburg umsetzt.

Buchtipp:
Jana Wallrath: „ALTERNATIVE HEIMAT: Über die Chancen von Wohnprojekten für das Leben im Alter. Eine Untersuchung in der Metropolregion Hamburg“, Disserta Verlag, 2014