Interview

"Gute Nachbarn weiten einander die Welt!"

Dr. Kurt Anschütz ist Theologe und schätzt das nachbarschaftliche Zusammenleben mit Menschen aus anderen Kulturkreisen. Er kennt das Zauberwort für gute Nachbarschaft: "Herzensgüte".  

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Hand aufs Herz: Sind Sie ein guter Nachbar, Herr Dr. Anschütz?

Jedenfalls bin ich kein ganz schlechter. Denn wann immer ich bislang meine Nachbarn benötigte, waren sie für mich da. Tatsächlich bemühe auch ich mich selbst: Als Kind habe ich erlebt, wie eng das Leben wird, wenn man unter verfeindeten Nachbarn wohnt. Bei aller Freude an der Familie – zu einem wirklichen Zuhause gehören auch die Menschen, die mit unter demselben Dach, ja in derselben Straße wohnen. Klar, Nähe und Distanz sind immer wieder neu anzupassen.

Haben Sie mit Ihren Nachbarn schon erfolgreich eine Aktion durchgeführt?

Da habe ich zwei Beispiele. Wir sind gegen die Lärmbelästigung durch ein Gewerbe vorgegangen. Einige der Alteingesessenen hatten schon seit Jahren gelitten, wir kamen neu hinzu und organisierten den Protest. Gemeinsam wurden wir erfolgreich. Diese Aktion hat dazu geführt, dass ein Wir-Gefühl entstand, auf dem sich aufbauen lässt. Und in ganz anderer nachbarschaftlicher Reichweite: In Paris habe ich ein Solidaritätsnetzwerk aufgebaut für Kinder in Nicaragua. Mein Französisch war schlecht, aber die Botschaft mobilisierte.

Wo ist Ihrer Meinung nach das größte Potenzial für gute Nachbarschaft?

 Das größte Potenzial für Nachbarschaft ist da, wo oft auch der größte Bedarf ist: im Zusammenleben mit Menschen aus fremden Welten.  Ich habe lange im Ausland gelebt – da war ich schon darauf angewiesen, dass die Einheimischen den ersten Schritt machten: „Klasse, dass Du gekommen bist!“ Und da liegt ja auch das Potenzial: Je bunter mein Umgang ist, umso bunter kann auch ich selbst werden. Als gute Nachbarn weiten wir einander die Welt. Das Zauberwort heißt: Herzensgüte.