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Das Prinzip Selbstverwaltung

In einem selbstverwalteten Wohnprojekt gibt es die Freiheit, seine eigene Ideen und Vorstellungen direkt umzusetzen. Aber ist es wirklich so einfach? Was tun, wenn man sich nicht einig ist? Oder wenn sich Einzelne um die Aufgabenverteilung drücken?

Was bedeutet überhaupt „selbstverwaltet“?

Selbstverwaltet bedeutet ganz generell, dass Projekte oder Betriebe nicht von „oben herab“, sondern basis- oder rätedemokratisch verwaltet und gelenkt werden. Möglich ist dies in der Regel dann, wenn das Projekt/der Betrieb nicht mehr Eigentum eines Einzelnen ist, sondern der ganzen Gruppe gehört. Die Geschichte zeigt einige sehr erfolgreiche Beispiele, wo Selbstverwaltung durch intelligente Strukturen und kurze Wege sogar effizienter ist, als hierarchisch gegliederte Systeme.


In welchen Einrichtungen macht Selbstverwaltung Sinn?

Neben vielen gewinnorientiert arbeitenden Betrieben gibt es heute eine Fülle von Nonprofit-Einrichtungen, die selbstverwaltet organisiert sind. Hierzu gehören vor allem Kultur- und Jugendzentren, Frauenhäuser und Kindertagesstätten oder Schulen. Ganz klassisch ist die Selbstverwaltung für Wohnprojekte und –genossenschaften.

Was bedeutet Selbstverwaltung konkret für Wohnprojekte?

Wie der Name schon sagt trifft die Gruppe aller Nutzer/innen selbst alle Entscheidungen, die ihre Häuser betreffen. Anfallende Aufgaben und Arbeiten werden gemeinsam organisiert und erledigt. Dabei geht es fast immer um die Gestaltung, die finanzielle Verwaltung und auch eine mögliche Neuvergabe von Wohnungen oder Häuser. Oft werden auch Hausmeisterarbeiten und die Gartenpflege selbst übernommen. Natürlich können Arbeiten ausgelagert, also an externe Dienstleister vergeben werden – diese sind dann jedoch an die Entscheidungen des Wohnprojekts gebunden.

Generell kann ein Wohnprojekt durch diese Form der Selbstverwaltung viel Geld sparen. Vor allem aber erhöht sie die Identifikation mit Haus und Hausgemeinschaft. So sind alle in das Wohnen als Gesamtprojekt eingebunden und tragen zu dessen Fortbestand bei.

Ist es nicht bequemer, Entscheidungen nicht selbst treffen zu müssen?

Bequemer mag es sein, aber es nimmt auch vielen Menschen die Möglichkeit, ihr eigenes Potenzial zu nutzen. Die Erfahrungen zeigen nämlich, dass die Freiheit der Selbstverwaltung sehr viel Kreativität freisetzt: die Bewohner/innen können sich im geschützten Rahmen ausprobieren und entdecken häufig Talente, von denen nicht nur die Gemeinschaft, sondern auch sie selbst im hohen Maße profitieren. Nicht zuletzt bewirkt die Tatsache, dass Menschen über ihre eigenen Belange mitentscheiden können, fast immer einen höheres Maß an Selbstverwirklichung und Zufriedenheit.

Welche möglichen Stolpersteine und Probleme gibt es bei selbstverwalteten Projekten?

Ganz wichtig ist es, dass die Kommunikationsstrukturen so gestaltet sind, dass sich jeder möglichst direkt an den Entscheidungsprozessen beteiligen kann. Denn fühlen sich Einzelne oder mehrere Beteiligte ausgeschlossen, entstehen oft Risse und der Wille sich einzubringen, geht verloren. In einer Satzung sollte daher gleich zu Beginn definiert werden, wie Entscheidungen gefällt werden und wie man generell möglichst demokratische Strukturen sichern kann.

Wie kann die Motivation und Beteiligung aller Bewohner/innen erhalten und gefördert werden?

In einem selbstverwalteten Projekt sollten alle Beteiligten die Möglichkeit haben, sich nach ihren eigenen Bedürfnissen und Fähigkeiten einbringen zu können. Nicht immer erlauben die individuellen Lebensumstände einen gleichermaßen aufwändigen Einsatz aller Bewohner/innen. Dann ist Toleranz und Verständnis von den Anderen gefragt. Unabdingbar für eine funktionierende Gemeinschaft sind gemeinsame Rituale, denn sie fördern das Gefühl der Verbundenheit. Das können regelmäßige Versammlungen sein, vor allem aber auch Feiern, Filmabende, Spiele-Treffs oder gemeinsame Arbeitseinsätze wie z. B. Gartentage.

Literatur

Silke Helfrich: „Commons – für eine neue Politik jenseits von Markt und Staat“.
Wenn die Menschen die Freiheit haben, sich selbst zu organisieren und zu kooperieren, so die Autorin, fördert das die gemeinsame Nutzung von Gütern aber auch den sozialen Zusammenhalt und Verantwortlichkeit.

Silke Helfrich (Hg.) und Elinor Ostrom: „Was mehr wird, wenn wir teilen – vom gesellschaftlichen Wert der Gemeingüter“
Die Autorin appelliert dafür, die Menschen vor Ort an der Lösung von Problemen zu beteiligen und so Respekt, Zusammenhalt und Verantwortlichkeit zu fördern.

Elinor Ostrom: „Die Verfassung der Allmende.“
Ein Klassiker zur Untersuchung von Selbstorganisation und Selbstverwaltung.

Helmuth Rose: „Nachbarschaftsentwicklung – Erfolgreiche Praxisbeispiele aus der Wohnungswirtschaft“.
Der Soziologe und Mitglied des Expertenrates von Netzwerk Nachbarschaft untersucht, wie Nachbarschaftsentwicklung nachhaltig gefördert werden kann.

  

Links:

www.wohnbund.de - Das Netzwerk wohnpolitisch engagierter Fachleute bietet fachliche Unterstützung für selbstverwaltete Initiativen und Projekte.

www.stattbau-hamburg.de - Die Organisation beschäftigt sich seit 1985 mit den Themen gemeinschaftliches Bauen und Wohnen sowie sozialer Stadtentwicklung in Hamburg.

www.contraste.org - Bietet nützliche Tipps und eine Monatszeitung rund um das Thema Selbstorganisation

www.netz-bund.de - Der Verband für Selbstverwaltung und Selbstorganisation möchte mit seiner Arbeit die Zusammenarbeit zwischen Kleinbetrieben und Projekten fördern