Ein Zuhause für „Grenzgänger“

Der historische Gutshof wird jetzt in ein neues Zuhause für lernbehinderte junge Menschen. Hier entsteht ihr Zukunftsdorf, in dem sie bedarfsgerecht leben und arbeiten können.
Bildquelle: Zukunftsdorf Bliestorf
Schon vor dem Einzug der neuen Nachbarn bringen fröhliche Feste jede Menge Leben in das Zukunftsdorf Bliestorf.
Bildquelle: Zukunftsdorf Bliestorf
Fünf Jahre lang setzten sich die Nachbarn dafür ein, dass ihr Zukunftsdorf Bliestorf endlich gebaut werden darf. Jetzt kann’s losgehen!
Bildquelle: Zukunftsdorf BliestorfFünf Jahre lang setzen sich Nachbarn für ihr einzigartiges Wohn- und Arbeitsprojekt ein. Jetzt können sie einen alten Gutshof in ein "Zukunftsdorf" für lernbehinderte junge Menschen verwandeln.
Lernbehinderte junge Menschen, die im Berufs- und Lebensalltag auf die Hilfe anderer angewiesen sind, ohne im eigentlichen Sinne Betreuung zu benötigen – das sind „Grenzgänger“, im Sinne von Joachim Lentz. Ihnen will die Nachbarschaftsinitiative „Zukunftsdorf Bliestorf“ aus Schleswig-Holstein ein bedarfsgerechtes Zuhause bieten. Sie schaffen auf einem alten Gutshof neben Wohneinheiten auch Arbeitsplätze in den gutseigenen Betrieben.
Die 12 Dorfgründer – selbst Eltern von „Grenzgängern“ – blicken auf eine lange Geschichte zurück. Bereits vor zehn Jahren entwickelten sie erste Ideen für eine Lebensgemeinschaft mit hilfsbedürftigen jungen Menschen. Als 2005 der Gutshof in Bliestorf zum Verkauf stand, zögerten die Nachbarn nicht lange. „Trotz des hohen Verkaufspreises von knapp 11 Millionen Euro wussten wir, das müssen wir jetzt machen“, sagt Joachim Lentz.
Ohne professionelle Hilfe geht es nicht
Ganz so einfach gestaltete sich die Verwirklichung ihres Lebensprojekts für die Nachbarn jedoch nicht. „Nach langen Diskussion über Sinn und Zweck unseres Projekts wurde uns klar, dass wir das alleine nicht schaffen“, so Joachim Lentz. Der Elternkreis wandte sich deshalb an die Projektentwicklungsgesellschaft Conplan, die bereits andere Nachbarschaftsinitiativen wie z.B. die Allmende Wulfsdorf unterstützt hat.
Zur Finanzierung des Projekts beantragten die Nachbarn Kredite bei der GLS Bank und erwarben 2007 die ersten Ackerflächen, ein Jahr später Teile des Gutsgeländes. Was dann passierte, stellte die Initiative auf eine harte (Gedulds-)Probe: Die Gemeinde verweigerte aufgrund baurechtlicher Bedenken die Genehmigung für den Umbau des Gutes.
Turbulente Zeiten
Eineinhalb Jahre lang rangen die Nachbarn mit der Gemeinde, ein neuer Bebauungsplan sowie eine Machbarkeitsstudie wurden in Auftrag gegeben und wieder verworfen. Zwischendurch sprangen Interessenten ab, dem Projekt drohte das finanzielle Aus. Im März 2010 schließlich die erlösende Nachricht: Die Nachbarn dürfen bauen. Bis Sommer 2011 sollen nun die ersten Wohneinheiten entstehen, die Bestandsgebäude werden auf Niedrigenergiehaus-Standard saniert.
Für die „Grenzgänger“, die im „Zukunftsdorf Bliestorf“ einziehen werden, bietet sich schon jetzt eine Vielzahl von Arbeitsmöglichkeiten. Ein Demeter-Landwirt, eine Gärtnerei, ein Forstbetrieb und ein Seminarhaus mit Cafébetrieb am Wochenende haben sich auf dem Gut niedergelassen.
Joachim Lentz freut sich auf eine „aktive solidarische Nachbarschaft“ gemäß Gründertradition: „Wir möchten jedem Bewohner die Gewissheit geben, dass er nicht alleine ist und auf die Hilfe seiner Nachbarn zählen kann.“ Für die ersten geplanten Wohnungseinheiten nimmt die Wohngenossenschaft noch Bewerbungen entgegen.