Gesundheit

Hilfe für demenziell erkrankte Nachbarn

Zwischenmenschliche Interaktion gibt Betroffenen viel Halt - Ein Interview mit Sophie Rosentreter, Gründerin von „Ilses weite Welt".

Portrait Interview Rosentreter

Sophie Rosentreter war Model und Moderatorin bevor sie – nach mehrjähriger Pflege ihrer demenziell erkrankten Großmutter – das Unternehmen „Ilses weite Welt“ gründete. Als Geschäftsführerin, Filmproduzentin, Buchautorin und Beraterin setzt sie sich heute für einen neuen Umgang mit demenziell erkrankter Menschen und die Entlastung der Pflegenden ein. Für ihr Wirken erhielt Sophie Rosentreter zahlreiche Preise, zuletzt 2015 den Health Media Award. 

Frau Rosentreter, Sie wissen aus eigener Erfahrung, was es bedeutet, einen demenziell erkrankten Angehörigen zu betreuen. Wie haben Sie die Diagnose Ihrer Großmutter erlebt?

Im schleichenden Prozess der Demenz haben wir noch vermutet, dass es an einem Fehlverhalten von Großmutti liegt. Nach der Diagnose ist die Krankheit ein Feind gewesen, der uns die geliebte Person wegnehmen will. Erst wenn man sich Wissen und Hilfe an die Seite holt, kann man gut mit der Diagnose umgehen. Das haben wir leider zu spät gemacht und uns somit eigentlich der letzten schönen Momente beraubt.

Hat Ihre Familie in der Zeit der häuslichen Pflege auch Hilfe von Nachbarn erfahren?

Nein, aber das hatte auch einen Grund. Wir sind nicht offen mit dem Thema umgegangen. Aus Unwissenheit konnten wir den Nachbarn unseren Hilfe-Bedarf nicht zeigen oder erklären. Wäre das möglich gewesen, hätten wir ganz sicher auch Hilfe bekommen. Insofern ist es wichtig, die Diagnose Demenz als Teil des Lebens anzuerkennen und sich unbefangen die nötige Beratung und Unterstützung zu suchen. Erst dann kann man auf die Nachbarschaft zugehen, die Diagnose und die daraus resultierenden Folgen erklären. So erst können Verständnis und Hilfe entstehen.

Was können Nachbarn zur Unterstützung demenziell erkrankter Menschen und zur Entlastung ihrer Angehörigen tun?

Die Bedürfnisse der von Demenz betroffenen Menschen sind sehr individuell. Will ein Nachbar helfen, sollte er/sie versuchen, sich in die betroffene Person hineinzuversetzen: Wie würde ich mich fühlen? Schon eine zwischenmenschliche Interaktion - kleine Momente des Stehenbleibens, die Frage nach dem Befinden des anderen – geben Betroffenen viel Halt. Darüber hinaus bieten regelmäßige Verabredungen demenziell erkrankten Menschen eine gute Struktur im Alltag.

Wie können diese auch durch Nachbarn im Alltag erkannt werden?

Wenn Menschen sich wiederholt in ihrer vertrauten Umgebung verlaufen, wenn sie sich ausschließen oder öfter Namen vergessen, könnten dies Anzeichen einer demenziellen Erkrankung sein. In diesem Fall können Nachbarn mit dem notwendigen Feingefühl auf die Angehörigen zugehen. Eine eindeutige Diagnose kann nur durch einen Facharzt gestellt werden.

Publikationen und Filme

Sophie Rosentreter: „Wir lieben dich, auch wenn du uns vergisst – wie wir besser mit demenzkranken Menschen leben", 2015, Piper Verlag.

Aufklärungsfilm "Demenz mit Hoffnung begegnen", DVD.

Frau Rosentreters neuestes Buch „Zahnpasta auf Spaghetti" wird im Oktober 2017 im Piperverlag erscheinen

  

Weitere Informationen:

Filme für Menschen mit Demenz sowie weitere Informationen zu Schulungen und Vorträgen über das Thema „Demenz" finden Sie unter www.ilsesweitewelt.de