Versorgung in Eigenregie
Stirbt der Laden, stirbt der Ort, so heißt es. Doch die Realität sieht anders aus – überall dort, wo DorfbewohnerInnen aktiv werden und einen eigenen Dorfladen gründen, sichern sie die Grundversorgung und stärken damit auch den Zusammenhalt.
Harthausen ist ein Ortsteil der Gemeinde Grasbrunn in Oberbayern und hat rund 850 EinwohnerInnen. Nachdem die Besitzerin des letzten Ladens, eine Metzgerei, in Rente gegangen war, gab es in Harthausen keinerlei Einkaufsmöglichkeit mehr. Das wollten die HarthausenerInnen nicht hinnehmen. Sie griffen zur Selbsthilfe und planten in Eigenregie einen Dorfladen. Dafür mieteten sie das gemeindeeigene alte Feuerwehrhaus an und bauten es zu einem Laden um. 2.000 ehrenamtliche Helferstunden kamen zusammen. Das Startkapital wurde über eine haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft zusammengebracht. 180 AnwohnerInnen kauften Anteilsscheine zum Stückwert von 200 Euro - eine Investition, die auf Lebensqualität zielt und nicht auf Gewinn.
Produkte aus der Region
Seitdem gibt es in Harthausen auf 80 Quadratmetern alles, was man zum täglichen Leben braucht – und das in hervorragender Qualität, größtenteils von regionalen ErzeugerInnen. „Der Ort hat an Attraktivität und Lebensqualität gewonnen“, sagte Johanna Mayer stolz, die über zehn Jahre die Geschäftsführerin war. Hier wird beim Einkaufen geklönt, man tauscht die neuesten Nachrichten aus, und alle Generationen treffen sich. Hätten die HarthausenerInnen nicht zur Selbsthilfe gegriffen, wären sie wie viele Millionen Deutsche in die Unterversorgung gerutscht. NahversorgerInnen in dünn besiedelten Gegenden sind selten geworden.
Kleine Läden sterben aus
An manchen Orten sorgt der demographische Wandel dafür, dass nicht mehr genug Kunden vor Ort sind, um einen rentablen Handel zu ermöglichen, weiß Stefan Hertel vom Hauptverband des deutschen Einzelhandels. Von 11.193 kleinen Lebensmittelgeschäften (bis 400 qm) in Deutschland im Jahr 2010 sind 2024 noch 7.900 geblieben, bilanziert das EHI-Retail-Institut in Köln.
Allein in den letzten sechs Jahren ist ihre Zahl um rund 700 Betriebe gesunken. Doch erstmals verlangsamt sich der Negativtrend: Mit 7.900 Verkaufsstellen verzeichnen die Kleinflächen nur 50 weniger als im Vorjahr – in den Jahren zuvor war der Rückgang doppelt bis viermal so stark.
Gerade diese Entwicklung zeigt, wie entscheidend bürgerschaftlich geführte Dorfläden geworden sind. Sie sichern nicht nur die Nahversorgung, sondern stärken das soziale Gefüge – und beweisen, dass Gemeinschaft oft die beste Antwort auf strukturelle Schwäche ist.
DORV macht Schule
Im nordreinwestfälischen Jülich-Barmen hat vor 21 Jahren eine Gemeinschaft von 1360 Nachbarn den ersten DORV-Laden (Dienstleistung und Ortsnahe Rundum Versorgung) aufgebaut. Das Nahversorgungszentrum wurde vom Land Nordrhein-Westfalen zum Pilotprojekt erhoben. Neben Lebensmitteln werden hier auch Dienstleistungen wie Post, Bank, Reinigung, eine AWO-Sozialservicestation, Arztpraxis und ein kleines Café angeboten. Die Idee machte Schule. Inzwischen hat die Betreibergesellschaft DORV-Zentrum GmbH über ihre eigens gegründete Beratergesellschaft DORV-UG 40 nach ihrem Konzept entwickelte Läden auf den Weg gebracht. Und die entwickeln sich zu sozialen Treffpunkten im Ort. „Um die Nahversorgung im ländlichen Raum sicherzustellen, spielt bürgerschaftliches Engagement eine immer wichtigere Rolle“, sagt Heinz Frey, Gründer und Geschäftsführer der DORV-Zentrum GmbH.
Interview mit Heinz Frey, Gründer und Geschäftsführer der DORV-Zentren GmbH (geführt 2019)
Haben sich die Konzepte für Dorfläden verbreiten können?
"Absolut, rund 400 Dorfläden gibt es inzwischen in Deutschland. Dass eine gute Nahversorgung nebst sozialem Treffpunkt Lebensqualität für die Bevölkerung bedeutet, weiß auch die Politik. Dorfläden werden zunehmend im Rahmen von Projekten unterstützt."
Womit punkten Dorfläden gegenüber Discountern?
"Neben den sozialen Komponenten vor allem mit Qualität, Frische und Regionalität. Viele Produkte sind nur wenige Kilometer entfernt gewachsen, produziert oder veredelt und haben damit quasi „ein Gesicht“."
Wie rechnet sich ein Dorfladen?
"Bei DORV sind bis zu acht Ladenlokalen an einer einzigen Theke. Das senkt die Kosten deutlich. Zudem sind Käufer im Dorfladen bereit, für Qualität, Nähe und Service ein wenig mehr zu bezahlen."
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